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Mansfelder
Bergbau & Hüttenwesen |
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Das Bergjahr 1907 im Mansfelder
Montanrevier -
Zwei große Katastrophen auf dem Zirkelschacht
von Dr.
Stefan König
2007
Auf der Grundlage von
Archivalien wurde eine Auswertung des Bergjahres
1907 vorgenommen. Neben allgemeinen Belegschafts-
und Produktionsinformationen werden nachfolgend
auch be- merkenswerte Ereignisse und Vorkommnisse
beschrieben. Damit soll an ein Bergjahr erinnert
werden, in welchem dem Mansfelder Bergbau harte
Schicksalsschläge ereilten.
Personalien
Die im Jahr 1907
ausgewiesene Belegschaftsstärke von 21283
Beschäftigten wies gegenüber der des Vorjahres
1906 (21239 Beschäftigte) und des
Nachfolgejahres mit 21254 Beschäftigten nur
geringfügige Veränderungen auf. In den
Kupferschieferrevieren arbeiteten ca. 77 % der
Belegschaft.
An der Spitze der Ober-Berg- und
Hütten-Direktion stand im Jahr 1907 der Bergrat
Hermann Schrader (1855-1940). An ihn erinnert
noch heute der Hermannschacht in Helfta, dessen
Namen er trägt. Der ständige Vertreter des
Ober-Berg- und Hütten-Direktors, der aus
Kreisfeld stammende technische Abteilungsdirektor
und Leiter der Berginspektion I, der Bergassessor
a. D. Dietzel verstarb am 24.01.1907. Daraufhin
waren personelle Veränderungen in der Leitung
der bestehenden fünf Berginspektionen
erforderlich. So wurde der Bergwerksdirektor
Ludwig mit der Führung der Berginspektion I
beauftragt, während der neu ernannte
Bergwerksdirektor Geipel die Leitung der
Berginspektion II von Ludwig übernahm. Geipel
blieb auch weiterhin Werksdirigent der Mansfelder
Bergwerksbahn. Die Berginspektion III wurde vom
Bergwerksdirektor Scholz, die Berginspektion IV
vom Bergwerksdirektor Weißleder und die in
Wansleben ansässige Berginspektion V vom
Bergwerksdirektor Kossuth geleitet. Die
Amtsbezeichnungen Bergwerksdirektor bzw.
Hüttendirektor wurden im Jahr 1905 auf Beschluss
der Gewerkschaftlichen Deputation eingeführt.
Damit wurden die bis dahin üblichen
Bezeichnungen Bergmeister (Leiter einer
Berginspektion) bzw. Hüttenmeister (Leiter von
Hütten) abgelöst. Zu Hüttendirektoren wurden
im Jahr 1905 die Hüttenmeister von Grabowski
(Eisleben), Scheerer (Kupferkammerhütte) und Dr.
Stahl (Hettstedt) ernannt.
Das Abteufen von neuen
Schächten geht weiter
Am 31. Juli 1907 wurden bei
Unterrißdorf die Teufarbeiten für einen neuen
Schacht begonnen. Er erhielt den Namen Dittrich.
Mit dieser Namenswidmung wurde Dr. Dittrich,
Deputierter der Mansfeldschen
Kupferschieferbauenden Gewerkschaft und
Oberbürgermeister der Stadt Leipzig geehrt.
Dieser neue Schacht war als Ersatz für die
Otto-Schächte bei Wimmelburg vorgesehen. Die
Abteufarbeiten der im Jahr 1906 angehauenen
Schächte Wolf und Vitzthum sowie des
Hermannschachtes II wurden zügig fortgeführt.
Insgesamt fielen im Jahr 1907 für diese vier
Schächte Abteufkosten in der beachtlichen Höhe
von ca. 1,250 Millionen Mark an.
Die Bergbau- und
Rohhüttenproduktion
Die Gesamterzförderung des
Jahres 1907 der Mansfelder Schächte in der Höhe
von 676.414 Tonnen Erz (Schiefern und gültige
Dachberge) verteilte sich auf die einzelnen
Berginspektionen wie folgt: |
Berginspektion
I |
Helftaer
Revier, Schafbreiter Revier, Glückaufer Revier |
253.064
t Erz |
Berginspektion
II |
Kuxberger
Revier |
162.212
t Erz |
Berginspektion
III |
Hirschwinkler
Revier, Freiesleben-Schächte |
134.273
t Erz |
Berginspektion
IV |
Burgörner
Revier, Glückhilf-Schächte, Niewandtschächte |
126.865
t Erz |
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Im Jahr 1907 waren 4
Rohhütten in Betrieb. Sie verschmolzen folgende
Erzmengen: |
Krughütte
in Eisleben |
4
Schachtöfen in Betrieb |
232.510
t Erz |
Kochhütte
in Helbra |
4
Schachtöfen in Betrieb |
193.700
t Erz |
Eckardthütte
in Mansfeld |
2-3
Schachtöfen in Betrieb |
120.700
t Erz |
Kupferkammerhütte
in Hettstedt
|
2
Schachtöfen in Betrieb |
130.400
t Erz |
Das Jahr 1907 -
zwei Katastrophen auf den Zirkelschacht
Der am Ende des 19.
Jahrhunderts in Betrieb gegangene Zirkelschacht,
der zum Hirschwinkler Revier der Berginspektion
III gehörte, stellte auf Grund der sehr guten
Vererzungsverhältnisse und mit einer Belegschaft
von ca. 2000 Mann eine sehr wichtige
Schachtanlage dar. Deshalb trafen die im
Zirkelschacht eingetretenen Unfälle und
Vorkommnisse den Mansfelder Bergbau besonders
hart. Von den im Jahr 1907 eingetretenen 19
tödlichen Unfällen ereigneten sich allein 5
tödliche Unfälle auf dieser Schachtanlage.
Zu einem sehr schweren Unfall, bei denen vier
Bergleute ihr Leben verloren, kam es am 8. August
1907. Es handelt sich um das schwerste
Seilfahrtsunglück in der Geschichte des
Mansfelder Kupferschieferbergbaus. Aus den
umfangreichen Unfalluntersuchungsberichten ist zu
entnehmen, dass der im Zirkelschacht
niedergehende Förderkorb durch unzeitiges und
einseitiges Wirken der Fangvorrichtungen bei ca.
150 Meter Teufe an den Führungsseilen
hängenblieb. Durch die sich ruckartig
einstellende Schräglage des Korbes hob sich eine
Türhälfte einer Etage des Förderkorbes
aus den Angeln. Dadurch stürzten vier Mann mit
der Türhälfte in den 500 m tiefen Schacht. Auf
den zwei Etagen des Förderkorbes, auf denen sich
jeweils 10 Bergleute befanden, wurden insgesamt
acht Männer verletzt. Die vier tödlich
verunfallten Bergleute stammten aus
Klostermansfeld.
Die Unfalluntersuchung nahm die
Seilfahrtkommission der Abteilung Halle vor. Man
konnte den Unfall so weit rekonstruieren, dass
der von vier Führungsseilen geführte
Förderkorb ins Schlingern/ Tanzen kam. Daraufhin
wurden ungleichzeitig und ungleichmäßig die
Fangvorrichtungen ausgelöst. Die
Seilfahrtsexperten kamen zu der Aussage, dass
ohne diese Fangeinrichtungen der Unfall nicht
eingetreten wäre. Weiterhin konnten sie
Wiederholungen derartige Unglücksfälle nicht
ausschließen. Eine Analyse der
Seilfahrtsvorkommnisse im Mansfelder
Kupferschieferbergbau führte zu der Aussage,
dass die bergamtlich zugelassenen
Fangeinrichtungen für die Führungsseile ,,im
Mansfeldschen bis jetzt mehr Schaden als Nutzen
gebracht haben". In der Konsequenz der
Untersuchungsergebnisse wurde von der
Seilfahrtkommission empfohlen, die Verwendung von
Führungsseilen auf Schachtteufen von höchstens
500 m zu beschränken. Eine Ausnahme sollte aus
ihrer Sicht nur die Schachtförderung bei
Abteufarbeiten sein. |
Der
Wassereinbruch im Zirkelschacht
Nur kurze Zeit nach diesem Seilfahrtsunglück
ereignete sich auf dem Zirkelschacht ein weiteres
Ereignis mit gravierenden Auswirkungen auf das
gesamte Mansfelder Bergrevier. Im Oktober 1907
kam es in der 5. Sohle des Zirkelschachtes zu
einem verheerenden Wassereinbruch. Er führte zur
Einstellung des Abbaus in diesem sehr gut
vererztem Lagerstättenfeld. Allein ca. 1000 auf
dem Zirkelschacht angelegte Bergleute mussten auf
andere Kupferschieferreviere umgelegt werden. Der
Wassereinbruch im Baufeld des Zirkelschachtes
trat relativ unerwartet ein. Nicht nur große
Teile des Baufeldes des Zirkelschachtes wurden
unter Wasser gesetzt, sondern auch der Betrieb
der benachbarten Schächte Niewandt und Paul
musste wegen Überflutung zeitweilig eingestellt
werden. Die Belegschaft wurde auf andere
Schächte versetzt, wobei die Mansfelder
Bergwerksbahn bei der Beförderung dieser
Bergleute zu anderen Schächten sehr gute Dienste
leistete.
Während auf dem Zirkelschacht keine
ausreichenden Pumpenkapazitäten vorhanden waren,
standen sie auf dem Hohenthalschacht zur
Verfügung. Was aber noch fehlte, war die
Möglichkeit, das Wasser aus der 5. Sohle des
Zirkelschachtes zum Hohenthalschacht abzuführen.
Diese Streckenverbindung wurde nach dem
Wassereinbruch mit aller Kraft im
Gegenortsbetrieb vom Zirkel- und Hohenthalschacht
geschaffen. Im Januar 1908 war die Verbindung
zwischen diesen beiden Schächten hergestellt und
ab Februar 1908 wurden die Zirkelschächter
Wässer dem Wasserhaltungssystem des
Hohenthalschachtes zugeführt. Damit konnte mit
der Sümpfung der eingebrochenen Karstwasser
begonnen werden. Die Beseitigung der Auswirkungen
des Wassereinbruchs nahm längere Zeit in
Anspruch. Die Betriebsstörungen auf dem
Niewandtschacht konnten erst im September 1908
vollständig beseitigt werden. Auch die
Fertigstellung des Paulschachtes verzögerte sich
erheblich. Die Erzförderung des Paulschachtes
konnte erst am 1. November 1908 aufgenommen
werden. Der Zirkelschacht erreichte erst Anfang
des Jahres 1909 wieder seine volle Erzförderung.
Abschließend soll noch daran erinnert werden,
dass ein einzigartiges Geotop, ein
wassergefüllter Erdfall am Bindersee, auch noch
heute an die hydrogeologischen Ereignisse vor 100
Jahren im Zirkelschacht hinweist. In den Jahren
1961/1962 und 1968 konnten in Rahmen
hydrogeologischer Untersuchungen eindeutige
Beweise erbracht werden, dass die im Grubenfeld
des Zirkelschachtes ausfließenden Karstwasser
aus dem Bereich dieses Erdfalls und damit aus dem
Gebiet des ehemaligen Salzigen Sees kamen.
Zurückblickend kann man aus heutiger Sicht
feststellen, dass das Mansfelder Montanwesen die
Folgen der Katastrophen des Jahres 1907 in
relativ kurzer Zeit in Griff bekam. So wurde das
Wasserhaltungssystem in der Mansfelder Mulde
weiter ausgebaut, die Sicherheitseinrichtungen
der Schachtförderanlagen wesentlich verbessert
und die neu abgeteuften Förderschächte an das
Streckennetz der Mansfelder Bergwerksbahn
angeschlossen. Was aber nicht rückgängig
gemacht werden konnte, waren die im Bergjahr 1907
tödlich verunglückten und verletzten Bergleute
und das damit verbundene schmerzvolle Leid für
viele Mansfelder Bergmannsfamilien. |
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