Exkursionen im Mansfelder Land

Eine Wanderung zu den Otto-Schächten
von Dr. Rudolf Mirsch
1997

Station 1:
Die Wanderung beginnt am Bergbaukrankenhaus. Nachdem die Böse Sieben überquert ist, folgen wir dem Karl-Hebner-Weg, der im Jahre 1991 als Naturlehrpfad angelegt wurde.

Benannt wurde dieser Weg nach Karl Hebner (1891 - 1985), der in mühevoller Arbeit im Jahre 1937 Teile der Halde der Otto-Schächte bepflanzte. Später folgte die Bepflanzung des unteren Teils der Hüneburg gemeinsam mit Lothar Lauterbach.
Wir begegnen der Natur pur erkennen aber auch auf diesem ersten Abschnitt unseres Weges, wo der Mensch mit Pflanzungen, mit Schutzmaßnahmen für die Waldameise und Nistkästen für Vögel aller Art in guter Absicht nachgeholfen hat. Die Vegetation der Halden und des Umfeldes sind Lebensraum für den häufig anzutreffenden Steinschmätzer und den Hausrotschwanz. Aber auch Laubsängerarten, Nachtigall, Goldammer und Neuntöter kommen recht häufig vor.
Wo sich freie Sicht bietet, sind in nördlicher Richtung die letzten Häuser Eislebens und dann das Gelände der ehemaligen Krughütte (Karl-Liebknecht-Hütte) zu sehen. Inmitten des Gebietes standen ehemals die Segengottesschächte I - III, die 1951 nach Otto Helm (1913 - 1933), einem Opfer der Naziausschreitungen vom Februar 1933, benannt wurden. Das Abteufen des Schachtes I begann 1864, wobei bald große Schwierigkeiten durch Wasserzuflüsse auftraten, die nicht beherrscht werden konnten und bei etwa 150 m Schachtteufe zur Einstellung der Arbeiten führten. Auch die Teufarbeiten des in nur etwa 5 m Abstand angesetzten Schachtes II mussten in etwa gleicher Teufenlage wegen großer Wasserzuflüsse aufgegeben werden. Auch der 1878 begonnene Schacht III erlebte das gleiche Schicksal.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt war zu erkennen, dass das Wasser ein Hauptproblem der Erschließung tieferer Teile der Lagerstätte wurde.

Station 2:
Die letzten Häuser Eislebens liegen hinter uns.
Wir überqueren den Reichsbahnanschluss, der den Bahnhof Eisleben mit der Hütte verbindet. Über die sogenannte "Millionenbrücke" wurde die Hütte mit Brennstoffen und notwendigen Materialien versorgt. Für den Erztransport zur Krughütte waren nach 1870 für einige Jahre Seilbahnen von den Martinsschächten und den Herrmannschächten eingerichtet worden. Die Werksbahn brachte später weit größere Erzmengen von den neuen und leistungsfähigeren Großschächten. Die schwarze, längst erkaltete, stellenweise noch glänzende Schlacke der Rohhütte wurde glutflüssig auf einer Fläche von etwa 26 Hektar aufgehaldet. Sie lässt ermessen, wieviel Erz seit 1870 in etwa einhundertjähriger Betriebszeit verschmolzen wurde. Dem Betrachter bietet diese Halde heute einen beeindruckenden Anblick.
Unscheinbar dagegen sind die im Mansfelder Land aus der Halbtrocken- und Trockenrasenflora alter Bergbauhalden gut bekannten kleinen weißen Kupferblümchen, denen wir auf unserem Weg nun an vielen Stellen begegnen.
Zu beobachten war eine den Gegebenheiten angepasste Pflanzengesellschaft, der Schwer- metallrasen, wobei das bereits genannte Kupferblümchen (Minuartia verna ssp. hercynia) als eine botanische Besonderheit zu bewerten ist. Weitere wertvolle Arten sind Hallers Grasnelke, das Kupfer-Leimkraut und verschiedene seltene Orchideenarten die strengen Schutzes bedürfen und in die Rote Liste unseres Landes aufgenommen wurden. Auf Haldengestein sind besonders genügsame Flechten verschiedener Art zu finden.

Station 3:
Noch ist der höchste Punkt unserer Wanderung nicht erreicht. Wir stehen auf der Halde der Otto-Schächte.

Die Schlackenhalde der Hütte jenseits der Straße erscheint aus dieser neuen Sicht noch größer zu sein. Kaum bewachsen und wie erstarrte glutflüssige Lawa eines Vulkans liegt sie vor uns. Westlich weitet sich der Blick über Wimmelburg, Wolferode bis hinein in die Grunddörfer des Mansfelder Landes. Zwischen den oft recht kleinen und einfachen Häusern der Dorfbewohner sind immer wieder auch schon beachtlich große Bergbauhalden, aber auch neue Bauten, wie z.B. das Wimmelburger Einkaufszentrum, zu erkennen. Die Otto-Schächte, vier an der Zahl, bestehen aus zwei Förderschächten und zwei Wasserhaltungsschächten. Als Otto-Schacht V wird vielfach das letzte Lichtloch des hier endenden Schlüsselstollens bezeichnet. Es war neben der modernen Krughütte ein beachtliches Zentrum bergmännischer Aktivitäten in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. In diesem Zeitraum ging der Bergbau zum Tiefbau über. Der rund 31 km lange Schlüsselstollen wurde 1879 durchschlägig, die Wasserhaltung aus den Tiefbauen wurde darauf umgestellt und entsprechend den Erfordernissen wesentlich erweitert.
Wassereinbrüche in den Jahren 1884, 1889, 1890 und 1892 mit der sogenannten "Seekatastrophe", das Auslaufen des Salzigen Sees in die Grubenbaue, führte dazu, dass im Jahre 1893 rund 3,95 Millionen m² des vorgerichteten Abbaufeldes unter Wasser standen und etwa 10 Jahre für die vollständige Sümpfung erforderlich waren. Der 1881 begonnene Aufbau des Netzes der Werksbahn ermögliche es, diese außerordentlich schwierige Situation zu bewältigen und Belegschaften in nicht betroffene Reviere umzulegen. Auf den Otto-Schächten entstand die größte Wasserhaltung des Kontinents. Allein unter den Kesseln für den Pumpbetrieb der Otto-Schächte wurden 1893 täglich über 84 Tonnen Steinkohle verfeuert. Während im Jahre 1860 insgesamt und 61.000 Tonnen Minern gefördert und 1.500 Tonnen Kupfer erzeugt wurden, stieg die Produktion bis 1880 auf 105.000 Tonnen Minern und 9.800 Tonnen Kupfer. Die Schmelzleistung der Krughütte konnte von 20.000 Tonnen Erz im Jahre 1870 auf über 160.000 Tonnen Erz im Jahre 1880 gesteigert werden.
Elektroenergie stand noch nicht zur Verfügung. Es war die Zeit der maximalen Nutzung der Dampfkraft als Energieträger.

Station 4:
Auf dem hinteren Teil der Halde der Otto-Schächte sehen wir einen Teil der Bemühungen zur Begrünung des Halden durch Karl Hebner. Etwa 1.000 dreijährige Rosensämlinge, Brombeere, Holunder, Linguster und andere wenig anspruchsvolle Pflanzen brachte er in kleine Vertiefungen, in die karge Erde und zerbröckelter Buntsandstein geschüttet wurden. Die Pflanzen sollten nicht verwöhnt werden und nicht absterben, wenn die Wurzeln in den darunter liegenden Haldenboden gelangen. Der Erfolg spricht für sich. Wenn auch durch Wildverbiss und menschliche Unvernunft immer wieder Zerstörungen zu bemerken sind, konnte sich das Vorhaben mit notwendiger Nachhilfe durch Naturfreunde unserer Tage nun schon 60 Jahre behaupten.

Station 5:
Der Weg führt bergab und dann durch die Unterführung der Bahnstrecke Halle-Kassel. Unter dem aufgeschüttetem Bahndamm befindet sich die Schachtröhre des Gerhard-Schachtes. Zur Prüfung der Bergbausicherheit wurden vor einigen Jahren im Bereich der Unterführung Probebohrungen durchgeführt. Lange Zeit vor Errichtung der Bahnstrecke, im Jahre 1821 geteuft, war er bis 1850 in Betrieb. Nun führt der Weg den Hahnestieg steil bergauf.
Oben angekommen, bietet sich uns noch einmal ein herrlicher Blick hinein in die Grunddörfer bis hin zu den Ausläufern des Unterharzes. Beim Blick nach unten ins Tal sieht man, wie sich die Bahngleise durch einen gewaltigen Einschnitt winden, den Hüneburgdurchstich. Erde und Gestein mussten auf einer Länge von etwa 250 m und bis zu 35 m tief abgegraben werden. In den Jahren 1865/66 wurde diese Leistung von hunderten von Arbeitern nur mit Hacke, Spaten, Schaufel und Schubkarre bewältigt. Karl Fischer, einer dieser Arbeiter, beschrieb in seinem in zwei Bänden erschienenen Buch "Denkwürdigkeiten und Erinnerungen eines Arbeiters" eindrucksvoll diese Arbeiten.

Station 6:
Bald ist der Hünekessel erreicht, der mächtigste von mehreren Erdfällen, die durch Auslaugungen im Untergrund entstanden sind. Noch eine kurze Wegstrecke bergauf, dann ist der Standort des im Mansfelder Land legendären Kuckucksbaumes (+ 235,8 m NN) erreicht. Leider ist sie dem Ulmensterben der 60er Jahre zum Opfer gefallen. Inzwischen steht ein neuer Baum, gepflanzt und gepflegt von Herrn Lauterbach.
Nun führt der Weg bergab. Wir kehren zurück nach Eisleben, dorthin, wo unsere Wanderung begann.

  

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